Leseproben
Unser Mittagsmahl besteht heute aus Spinat mit Ei. Als alles vor uns stand
und wir die Eier abgepult hatten, fiel mir eine Begebenheit ein, die ich vor
langer Zeit mit Eiern hatte und ich erzählte sie unsern
Tischteilern.
Es war kurz nach dem Krieg und wir hatten bis dahin
alles gut überstanden. Nun ging es darum, auch die große Hungerzeit zu
bewältigen.
Die Lebensmittelkarten reichten nie, alles mußte gestreckt
werden.
An diesem Osterfest hatte es so sehr geschneit, daß wir nicht mal im
Garten Sauerampfer fanden, so konnten wir nicht einmal am Gründonnerstag die
traditionelle Suppe kochen. Wir waren schon ganz traurig. Am Freitag Fisch zu
servieren, war auch nicht möglich, denn wir wohnten nicht am Fluß. Und Ostereier
- was ist das? -
Was wir Kinder sehr bedauerten und laut beklagten - wie soll
der Osterhase denn bloß bei diesem Wetter hierher finden? Oder haben sie den
auch schon geschlachtet und verzehrt? Jammer, Jammer und Ratlosigkeit.
Was
wir nicht wußten war, daß auf dem Abschnitt A auf allen Lebensmittelkarten eine
Sonderzuteilung aufgerufen wurde. Pro Abschnitt A gab es zwei Eier. Nun hieß es
anstehen und immer mit der Hoffnung im Kopf - Hoffentlich reichen sie, bis ich
an der Reihe bin, dachte mein Vater.
Sie reichten!
Getuschel in der Küche.
Ich hörte, wie Großmutter sagte, Ihr werdet doch nicht alle zwölf Eier kochen!
Roh können wir viel mehr damit beginnen.
Ich wurde gerufen und konnte mir den
Rest des Gesprächs nicht mit anhören und so sollten wir Kinder die tollste
Osterüberraschung erleben, die es überhaupt jemals für uns gab.
Großvater
hatte den Schnee um die Johannisbeersträucher, die am Gartenweg zum Haus
standen, aufgehäuft. Auf dem Gehweg blieb trotzdem noch genügend weißer Schnee
liegen.
Plötzlich hieß es, der Osterhase war da und unsere mauligen Gesichter
hellten sich auf.
Wir fingen sofort im Häuschen an zu suchen - aber nichts -
Großmutter schmunzelte und meinte, immer noch - Kalt - Kalt - Kalt. Das Spiel
ging weiter, bis ich in die Nähe der Tür kam - Lauwarm. Eigentlich wollte ich in
den Manteltaschen etwas fühlen, aber - nichts.
Als ich der Tür näher kam,
rief Großmutter - Es wird ganz warm.
Also doch Tür auf und raus. Mein Bruder
drängelte so sehr, daß ich gleich im Schnee landete. Großes Gelächter von
allen.
Papa sagte nur, nun sucht mal schön.
Mit dem Warm-Kalt-Spiel ging
es noch eine Weile weiter, bis die Erwachsenen uns da hatten, wo wir etwas
finden sollten.
Nun waren unsere Kinderaugen doch auf Farbe
eingestellt.
Aber was geschah?
Der Osterhase, der Faule, hat einfach die
weißen Eier in den weißen Schnee gelegt. Da sollten wir sie nun entdecken. Wir
waren schon ganz mutlos und des Suchens überdrüssig.
Da ich dem Schnee am
nächsten war und einfach mal etwas länger stehen blieb und nicht durch den
Schnee tobte wie mein Bruder, entdeckte ich in einem der Johannisbeersträucher
in einer Verzweigung einen weißen Fleck, der die Form eines Eies hatte! Aber der
Osterhase hatte Schneebälle als Ostereier geformt. Als ich danach griff, war es
doch ein richtiges. Jetzt war aber Vorsicht geboten. Nun stürzte sich auch mein
Bruder auf die Sträucherreihe und wir fanden zwölf weiße Ostereier im weißen
Schnee.
Es war ein wunderschönes Osterfest, soviel Spaß hatten wir nie mehr
wieder.
Ich möchte noch einmal den Zauber erwecken, unter dessen Einfluß wir
Island erlebten.
Island eine unendliche Weite aus Stein, Vulkanasche und
Geysiren, niederen Flechten, Eis und Wasser, blühenden Frühlingsblüten, satten
Weiden und einer nicht untergehenwollenden Sonne, so erlebten wir dieses nicht
leicht zu erschließende Land. Vogelstimmen weckten den neuen Tag, der sich uns
immer als ein strahlend heller Sonnentag zeigte und uns seine volle Schönheit
genießen ließ. Bergansteigend entdeckten wir auch später die gut getarnten
fröhlichen Sänger.
Auf den mühsam erklommenen Vulkangipfeln eröffnete sich uns immer
wieder eine neue riesige Landschaft bestehend aus anderen Vulkanen,
Pseudokratern, Gletschern und Schneegipfeln. Und alles immer zum Greifen nahe
trotz der Entfernung, die sich nur ahnen ließ.
Auf dem kargen Geröll
klammerten sich die Pflänzchen fest. Ungeschützt der Sonne, dem Wind und dem
Regen ausgeliefert können sie sich hinter keinem Baum verstecken und sich unter
keinem Busch verkuscheln.
In den Felswänden finden dann die Sturmmöven,
Mantelmöven und Seeschwalben gute Plätze, um ihre Brut aufzuziehen. Der Sturm,
den wir nur in starken Boen erlebten, gemischt mit Regen, peitschte die See auf.
Die riesigen Wellen brechen sich an den steilen uferlosen Felsvorsprüngen und
die Wasservögel gaukeln im Wind, lassen sich tragen und treiben und fallen dann
kreischend in irgendeine Spalte ab, um in kürzester Zeit wieder ihr Spiel von
neuem zu beginnen.Wenn unsere Blicke sie dann in die Höhen verfolgten, trafen
irgendwo dort oben mit einem grade aufsteigenden oder landenden Flugzeug
zusammen. Auch sie werden zu Meistern der Lüfte auf den kleinen Start- und
Landebahnen dieses Landes.
Dann wieder ein riskanter Abstieg zwischen Geröll
und Asche und wir stehen vor einer der vielen klaren Quellen, erfrischenden
Bächen und schauen in ihr Fließen, das irgendwo, irgendwann von einem breiteren
Flüßchen aufgenommen wird um in einem noch stärkeren Fluß bis ins Meer geführt
zu werden.
Ein ewiger Kreislauf!
Die innere Erde brodelt und macht sich
nach draußen hin Platz und die Ergebnisse riechen nach Schwefel oder sehen aus,
als würden die Perser umgezogen sein, um hier in den heißen Quellen ihre neue
Indigofarbe aufzubereiten. Es blubbert und gluckst, es dampft und springt, eine
immer wiederkehrende Bewegung und nicht enden wollendes Schauspiel der Natur.
Welche Kräfte! ?
Die guten werden genutzt und versorgen uns mit warmen Wasser
und Energie. Die schlechten verbrennen die Erde, die Bäume, den restlichen
kargen Pflanzenwuchs und schütten viele menschliche Behausungen mit heißer
dickflüssiger Lava und schwarzer Asche zu.
Mengen dieser Ausbrüche, soweit
das Auge reicht mischen sich mit Schnee, Wasser und Eis und werden zu
faszinierenden Farbspielen. Wasserfälle brechen herunter und ergießen sich in
Ströme, die sich durch enge Gesteinspalten zwängen, um nach längerer tosender
Wucht, ruhig und gemächlich breite Wiesen zu erfrischen. Irgendwo von den
Granitmassiven schauen neugierig ein paar Schafe herunter. Sie sind fast
überall, beleben die spitzen kantigen Berggipfel, die grasigen Hügel und die
fetten Weiden, um dann mit den Fischen an den Wasserschnellen um die Wette zu
springen. An den Flußufern geht es dann sehr lebhaft zu. Mensch und Tier aus
einem Fluß, alles im Gleichklang der Gezeiten.
Plötzlich ein schnelles, aber
nicht lautes Getrappel - - - - die Pferde - - - klein aber kräftig ziehen an uns
vorbei, bis sie hinter der Lagune am Horizont verschwinden .
Nun hängt der
Blick am blaugrünen zerklüfteten Eis. In bizarren Formen schwimmt es auf dem
breiten Gletscherstrom dem Ozean entgegen und wir sehen zu, wie es so langsam in
der Sonne glitzernd sich leicht bewegt und letztendlich zu Wasser zergeht. Alles
zum Berühren nahe, aber kalt.
Als wir in der kleinen Grassodenkirche saßen, empfand
ich plötzlich Musik. Es waren die Anfangsklänge der "Toccata und Fuge" von Bach,
unter deren wirklichen Klangwucht sie wohl zusammengebrochen wäre. In der
Phantasie ist eben alles möglich. So entstehen auch in den rauhen schneereichen
Winternächten und düsteren sonnenarmen Tagen die Märchen von den Elfen und Feen,
deren Steinbergkirchen wir auch fanden. Die Mystik ist allenthalben gegenwärtig
und äußerst reizvoll. Dazu die Sagas als Ergänzung, die auf den wenigen, sehr
weit auseinanderliegenden Höfen entstanden sind. Trotz ständig drohender
Gefahren drücken sich die Häuser und Stallungen an die Steilwände und ihre
bunten Dächer leuchten weithin wie Signale. Auf diesen fernab liegenden Anwesen
geht es in den vielen Wintermonaten sehr einsam zu. Seit der Landnahme fühlen
sich alle Isländer miteinander verwandt und gehen deshalb sehr behutsam und
verständnisvoll miteinander um. Sorgen sich um diejenigen, denen in solchen
kargen Zeiten die Nerven durchgegangen sind. Die Menschen, die hier leben,
lieben und arbeiten sind unkomplizierte, sehr stolze und recht freie
Persönlichkeiten, die keine zerstörerischen Gedanken hegen. Von der Willenskraft
und Beharrlichkeit dieser Menschen konnten wir uns überzeugen. Nur einer
einzigen Frau, ihrer Heimatliebe und ihrer großen Ehrfurcht vor der Natur ist es
zu danken, daß wir den wasserreichsten, kräftigsten und schönsten Wasserfall
Islands noch erleben können.
Bis die Seele nach solchen Erlebnissen wieder zu
Hause ist, dauert es schon ein Weilchen.
Wir waren mal wieder im Ort unterwegs und sahen Kindern beim Spielen zu.
Sie spielten Vater, Mutter, Kind. Das regte uns so an, daß jeder von seinen
Erlebnissen mit Kindern erzählte. Das verrückteste Erlebnis war
dieses.
Die Sommersonne stieg langsam am Horizont auf und
überstrahlte die Dächer der alten Stadt.
Auf ihrem natürlichen Tageslauf kam
sie auch an unserem Fenster vorbei und tauchte das ganze Schlafzimmer in ein
wunderschönes Gold.
Sie machte uns munter und so blinzelte Eine den Einen an.
Es versprach ein zauberhaftes Vorfrühstück zu werden.
Unsere Kinder, wir
nahmen es an, würden noch tief und fest schlafen. So erfreuten wir uns
gegenseitig am goldigen Körper des anderen.
Plötzlich ein patsch, patsch,
patsch auf dem Flur. Stille. Waren das nicht die nackten Füßchen unserer
Kleinsten? Die Türklinke rutschte zurück und fiel wieder ins Schloß, weil sie
noch nicht ganz heranreichte.
Bis zum zweiten Versuch hatten wir mit einem
kleinen Hechter irgendeine Stelle im Bett erwischt und zogen uns nun die Decken
so weit wie möglich über uns.
Wir wollten jetzt keine Gutenmorgengeschichten
im Bett erzählen und auch nicht mit den beiden rumkuscheln, obwohl sie dazu
berechtigt waren. Die Wochenend-Familienzeit war immer zu kurz für sie, aber
auch für uns.
Wir entschieden aber für uns und vergruben alles Nackte, den
festen Schlaf vortäuschend, unter den Zudecken.
Langsam näherte sie sich ganz
leise und schaute sich um. Na, so was, keiner rührt sich und ich finde überhaupt
keine Stelle, wo ich reinkriechen kann.
Sie steht und schaut, schnauft und
kann nicht glauben, was sie sieht. Sie streicht sich mit ihren kleinen
schlaffeuchten Händchen durch die Haare, die sofort zu Berge stehen. Es ist ein
Bild des Entzückens - aber Ruhe, Ruhe, Ruhe. Ich blinzele und schaue weiter, was
geschieht.
Völlig unerwartet bückt sie sich. Ich kriege schon einen leichten
Schreck. Aber was tut die fürsorgliche kleine, sie hebt Vaters Hausschuhe auf
und schleppt sie auf meine Seite, wo sonst ich liege. Dann schafft sie meine
Pantöffelchen an das ehemalige Vaterende. Dann schnauft sie tief, beschaut sich
ihr Werk, ist damit zufrieden und zieht wieder ab. Ordnung muß sein.
Nun
lagen zwei süße Schwindler im Bett, konnten vor Kichern und Staunen nichts mehr
ausrichten, weil wir auf die nächste Attacke unser Kinder warteten. Richtig, sie
holte sich Verstärkung. Beide mit ihren Kopfkissen bewaffnet stupsten sie uns
wach.
So endete unser Sommersonnen-Vorfrühstück und wir bedauerten nichts.
Herrlich, solche Kinder zu haben.